Brief von Elise von Hohenhausen an Helmina von Chézy
[Minden], 20. Januar 1820
Seite „1r“
[Karl August Varnhagen]Elise von Hohenhausen
an Fr. von Chézy.
an Fr. von Chézy.
d 20 Jan 1820.
Wege der Gelegenheit einen Gruß der vielleicht
noch nicht angelangt ist und darum laße ich den Zweiten
folgen, dessen Hälfte Sie gütigst einem Freunde mit-
theilen werden, der aus rauhem Norden gewis alle
Lebhaftigkeit und Liebenswürdigkeit des Südens mit
nach Dresden brachte.–
Sollte Blankensee nicht in Dresden seÿn, so haben Sie
verehrte Schwester, wohl die Güte die Einlage sicher
an ihn zu besorgen. Ich habe lange mit mir gekämpft
ob ich schreiben sollte oder nicht – Sie ahnen gewis nicht
in welchen schwierigen Verhältnissen ich hier lebe
und unter dem Siegel des Vertrauens muß ich einiges
Ihnen davon mittheilen –
verehrte Schwester, wohl die Güte die Einlage sicher
an ihn zu besorgen. Ich habe lange mit mir gekämpft
ob ich schreiben sollte oder nicht – Sie ahnen gewis nicht
in welchen schwierigen Verhältnissen ich hier lebe
und unter dem Siegel des Vertrauens muß ich einiges
Ihnen davon mittheilen –
Ich lebe in einem Kreis, worin vorzüglich die Männer
ohne alles Vertrauen auf Frauentugend sind – die Unschuldigste
scheint solchen verdächtig – und weil sie nun vorzüglich an
mir nichts entdecken konnten, so haben mich manche, vor allen Einer
auf dessen Sophistereien von Freiheit des Herzens, von Wahlverwandtschaft
von platonischer Liebe, auf alle seine Treibhaussträußer und unermüdliche
Aufmerksamkeiten, ich nichts erwiederte, mit wahren Spionskünsten umgeben.
Ich zeichnete Blankensee bei unsrer ersten Bekanntschaft aus
und dies zog ihm den tödlichen Haß unsrer Männerwelt zu
der bei seinem Tod in einen Jubel ausbrach
daß man sich für einen Mann lebhaft
intressiren
ohne alles Vertrauen auf Frauentugend sind – die Unschuldigste
scheint solchen verdächtig – und weil sie nun vorzüglich an
mir nichts entdecken konnten, so haben mich manche, vor allen Einer
auf dessen Sophistereien von Freiheit des Herzens, von Wahlverwandtschaft
von platonischer Liebe, auf alle seine Treibhaussträußer und unermüdliche
Aufmerksamkeiten, ich nichts erwiederte, mit wahren Spionskünsten umgeben.
Ich zeichnete Blankensee bei unsrer ersten Bekanntschaft aus
und dies zog ihm den tödlichen Haß unsrer Männerwelt zu
der bei seinem Tod in einen Jubel ausbrach
daß man sich für einen Mann lebhaft
intressiren
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intressiren könne, ohne strafbare Gefühle
zu hegen, davon hat unsre hiesige Welt
keine Begriffe – Ich habe thöricht genug
der Meinung der Welt nachgegeben, aber
ich will es nicht länger, und es hängt nur
von Blankensee ab, so gestehe ich vor aller
Welt daß er mir ein lieber theurer Freund
ist und ewig bleiben wird
zu hegen, davon hat unsre hiesige Welt
keine Begriffe – Ich habe thöricht genug
der Meinung der Welt nachgegeben, aber
ich will es nicht länger, und es hängt nur
von Blankensee ab, so gestehe ich vor aller
Welt daß er mir ein lieber theurer Freund
ist und ewig bleiben wird
Ich hoffe auch unbekannter Weise von Ihnen
genug gekannt zu seÿn, um zu hoffen daß
Sie in solchen Verhältnissen die meiner Eitel-
keit zwar schmeicheln, doch mein Herz be-
dauern.
genug gekannt zu seÿn, um zu hoffen daß
Sie in solchen Verhältnissen die meiner Eitel-
keit zwar schmeicheln, doch mein Herz be-
dauern.
Da ich nicht weiß ob ich Ihre Antwort nicht
im Gegenwart meines Gatten erhalte, dem
ich ihre Mitheilung dann nicht versagen könnte
so bitte ich daß Sie mir auf manches in diesem
Brief nicht antworten – auch der Einlage
nicht erwähnen. Da giftige Reden auch
bis in sein Ohr gedrungen sind, und Dämonen
im Gegenwart meines Gatten erhalte, dem
ich ihre Mitheilung dann nicht versagen könnte
so bitte ich daß Sie mir auf manches in diesem
Brief nicht antworten – auch der Einlage
nicht erwähnen. Da giftige Reden auch
bis in sein Ohr gedrungen sind, und Dämonen
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dort erweckt haben die ich jedoch bald
zu verscheuchen hoffe
Mit herzlicher Freundschaftzu verscheuchen hoffe
Die Ihrige
Elise v H