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Brief von Helmina von Chézy an Elise von Hohenhausen

Heidelberg, 5. Dezember 1847
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 47 Chézy Helmina von, Bl. 73-74 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Helmina von Chézy
Empfänger/-in
Elise Rüdiger
Datierung
5. Dezember 1847
Absendeort
Heidelberg
Empfangsort
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 170 mm; Höhe: 200 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Jadwiga Kita-Huber; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „73r“

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[Karl August Varnhagen]
Helmina von Chezy
an Frau von Hohenhausen.
1847.
Frau von Chezÿ

Heidelberg d. 5 Dezember
Sie sehn aus dem Datum des Innliegenden an
Sie,
wie alt mein Brief, er blieb liegen
ich aber durchrollte wieder eine Leidens
Phase meiner Tage.
Durch des edeln Alex. v. Humboldt
feurige Verwendung habe ich zwar
momentane Hülfe empfangen, aber
mit Fortzahlung der Pension ists
noch in weitem Felde.
Wollen Sie meiner Spende an Fräul.
v. Bornstedt
, die, wie Sie wissen werden
meine geliebte Elise, ein Album zu
einem Kirchenbau herausgiebt,
ein
Gedicht beilegen? Schnetzler
sagt daß
Chateaubriand, Victor Hugo, so wie
Treffliche aller Nationen Beiträge
[Karl August Varnhagen]Elise von Hohenhausen.

Seite „73v“

Sie läßt en bloc auffordern, doch wenn auch an Sie
Liebe zufällig (so wenig, wie an mich) eine Einladung
gekommen, so schikken Sie doch, wie ich auch thue.
Vom 26 Nov. bis 14 Dezember – – – 
Heute überkam mich in diesen Leidenstagen
der allerzerreissendste Schmerz. Ich hatte darauf
Kopfweh – Ach! gewiß kennen Sie alle
solche Momente – O, wenn’s kein Jenseits
gibt, wo wäre Trost? Ich habe für Fräul.
von Bornstedt das Lied an Fr. Spencer
Schmidt
ganz abgeschrieben, in meinen
Gedichten stehen nur die letzten 4 Zeilen,
(die Maltiz sehr liebt
) Wie ahnungvoll!
Ach hienieden birgt des Herzens Habe
Lekkes Schiff auf heuchelnd glattem Meer
Jenseits winkt der Hafen überm Grabe
Und der Leuchtthurm blickt durch Wolken her – 
Denken Sie einmahl wie das Jahrhundert
fortschreitet. Dr. Henle u Pfeuffer, die zwei

Seite „74r“

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großen Männer begründen nun wissenschaftlich
die Lehre daß wir keine Seele haben
Denn: wenn man (ich weiß nicht welche Nerve) durchschneidet
so hat der Mensch den Willen verloren – mithin
liegt Alles in den Nerven, u der Mensch ist
dahin, wenn er gestorben
 – Hu, hu!
Wie so was geduldet wird! Denken Sie!
Die genußsüchtige, gottfremde Jugend schlürft
diese Lehren (bei denen auch vorkommt daß kein
Gott ist, mit Wonne ein! Wird doch Rattengift
zu verkaufen verboten, u sowas duldet man
Brandmarken u ins Tollhaus bis zur Genesung
ließ ich solche Proffessoren einsperren, wenn ich
Gewalt hätte. NB. sie sind auch Radicale – 
Ich schließe, meine gute, geliebte Elise – 
ich könnte doch nur von einem Leide sagen, daß
Sie ohne Worte verstehe – Felix Mendel-
sohns
Tod hat mich auch tief erschüttert,

wiewohl es eigentlich ein Segen Gottes
ist, so jung – wenn alle Lebenskränze noch

Seite „74v“

frisch sind u duften in das Jenseits
hinüber gehoben zu werden, wo der
Ernst seines Strebens dem seligen Geist
sogleich eine Sonnenhöhe sichert, denn Ihm
war die Kunst heilig. Wie mein Max
starb Er in düstern Fantasieen mit
namenlosen Folterqualen des Typhus, u
auch mit 38 Jahren. Seine lieben
schönen Kinder thun mir leid – Ich
glaube nicht daß er mit Ihr glücklich
war – Ein angefangenes Lied an
Ihn kann ich nicht vollenden.
Herzlich umarme ich Sie, mit heißem
Wunsch bald wieder von Ihnen, von
HvHohenhausen u Allem was Ihnen theuer
zu erfahren. Strafen Sie mich nicht
durch Schweigen, ich litt unendlich, war
dazu widerwärtig gestört, Gott ist ein großer
Homöopath
 – darf ich die Inlagen
Ihrer Güte empfehlen?
Ihre Helmina
[Helmina von Chézy] O, der liebe, herrliche A. Voss
! Ich habe noch keine näheren Nachrichten
ob sein Tod so mild u sanft war, wie sein Herz –