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Brief von Helmina von Chézy an Hermann von Pückler-Muskau

11. Oktober 1821
Biblioteka Jagiellońska Kraków | SV 47 Chézy Helmina von, Bl. 222-223 XML-Datei downloaden
Absender/-in
Helmina von Chézy
Empfänger/-in
Hermann von Pückler-Muskau
Datierung
11. Oktober 1839
Absendeort
München
Empfangsort
Umfang
2 Blätter
Abmessungen
Breite: 215 mm; Höhe: 270 mm
Foliierung
Foliierung in Bleistift durch die Biblioteka Jagiellońska Kraków.
Herausgeber/-innen
Jadwiga Kita-Huber; Jörg Paulus
Bearbeiter/-innen
Quellenrecherche, Transkription, Auszeichnung nach TEI P5 und Annotation durch Jadwiga Kita-Huber; XML-Korrektur durch Simona Noreik
Bibliographie
Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin: Behrend & Co. 1911.

Seite „222r“

222

Helmina von Chézÿ an Pückler
München, den 11. Oktober 1839.
Sie sah den Fürsten 1835.
Durchlauchtigster Fürst!

Vor Allem muß ich danken – meinen Antheil vom allgemeinen Dank,
bring ich dar, wie ein Kind eine Blume, die es pflegte, zu einem großen,
herrlichen Triumphbogen, man sieht sie nicht an, die arme kleine Blume,
aber sie duftet mit den andern, u ihr Geist wird als Liebe empfunden.
Ich kenne nicht Alles, weiß nur von Hörensagen daß Er. Durchlaucht
auch Helminen erwähnt, freundlich, ich durfte das von Ihnen
erwarten. Aber den Orient – nicht Jenen, der wie ein fernes
versunkenes Küstenland durch Fluth des Meeres sichtbar, wie
ein Traum, den wahren Orient unsrer Tage rufen Sie vor den
Seelenblick, in der Beleuchtung des Genius. Sie haben mehr
gethan, das starre Riesengebilde, die umnachtete Memnonssäule
küsste der Strahl, daß sie glühte u ertönte, vom schöneren
Leben des Okkcidents trugen Sie den Funken herüber, er wird fort-
an als heiliges Feuer in seiner Brust strahlen. Wir haben Sie

Seite „222v“

zurück ersehnt, u danach wird uns, nun Sie wieder bei
uns sind jene Wunderstimme der Botschaft fehlen.
Das Werden –, o, das Werden ist ja die einzige Wonne
Gottes, denn Er setzt es ewig fort. Wie wird Ihnen in
Europa, in Deutschen Landen zu Muth seÿn, wo
im Grund fast Alles schon gewesen ist? Aber Sie
bringen aus dem Orient, wo Sie so viel im Werden
begriffen gefunden, u so manches selbst geweckt, den
Trost, daß auch das Gewesene wieder werden, daß der
Sand der Wüste wieder grünen kann. so können ja auch
über den Untiefen aller Sünde die endlosen Steppen
der Crÿstallisation sogenannter Civilisation, Gluthdurch-
drungen zerfließen aus der Erstarrung hinaus, u
als warmer Lebensstrom durch blühende Ufer
wallen. Dahin ja wirken unsere besseren Geister, u dahin
noch kommt’s, die weckenden Genien sind zugleich
Herolde u Bürgschaft der besseren Tage.

Seite „223r“

Seit Sie, mein Fürst! Ihre Sendung im Orient begonnen,
werden Sie unter dem Vielen, was Sie als Erinnrung
berühren konnte, auch den frühen Tod der Herzogin v.
Abrantès
theilnehmend empfunden haben. Wir sprachen
oft von Ihnen, ich war aber in Deutschland, als sie
starb. In dem, Ende Junius 1838 im Morgenbl. nieder-
gelegten Erinnrungblatt, habe ich Sie genannt.
Man
spricht bei solchem Anlaß von Fürst Pückler, wie
man einen köstlichen Ring an den Finger steckt,
der funkelt u blitzt. Gf. Taufkirchen, der mir 1837
– 1838 öfters begegnete, hat mir damahls gesagt, Sie
kämen zum Besuch nach München. Vielleicht treten
Sie unter das bescheidene Dach der armen Helmina.
Wie die Blumen nur Thau des Himmels, so
empfängt das Geschick deutscher Dichter nur vom
Himmel glänzende Gaben, u die unterirdischen
Gewalten, dem Lichte feind, versagen ihm
ihre Gunst. Ich habe viel gelitten, seit diesen

Seite „223v“

diesen 4 Jahren, wo Sie, Durchlauchtiger Fürst,
mir zuletzt erschienen. Doch von mir wollt ich
ja nicht sagen, nur von dem was in mir
lebt, u Ihrem Bilde angehört. Empfangen
Sie es wolwollend – u rufen der edlen
Fürstin Lucia mein Andenken zurück.
Helmina v. Chezÿ
geb Freiin Klencke

München, d. 11t. Oktober 1839

Arcisstraße, Carlsstraßen Ecke
Hofrath Thiersch gegenüber. 2. St.